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Gleichgewicht halten: Exoskelette müssen schneller reagieren als ein Mensch

Eine Gruppe von Wissenschaftlern des Georgia Institute of Technology und der Emory University haben herausgefunden, dass herkömmliche Knöchel-Exoskelette mitunter keinerlei Wirkung haben, wenn es darum geht, das Gleichgewicht im Stand zu halten. Nach Ansicht der Forscher reagieren die robotischen Bewegungshilfen viel zu spät. Sie müssen vielmehr bereits eingreifen, bevor der Mensch reagiert, um das Gleichgewicht nach einer Störung wiederherstellen zu können.

Das Forschungsteam untersuchte in der Studie „Exoskeletons need to react faster than physiological responses to improve standing balance“, die in Science Robotics veröffentlicht ist, inwieweit Knöchel-Exoskelette überhaupt eine Wirkung haben, um etwa älteren und körperlich beeinträchtigen Menschen ein besseres Gleichgewicht zu verschaffen, damit sie nicht stürzen.

Die Untersuchung eines handelsüblichen Paars Knöchel-Exoskelett-Stiefel von Dephy, das stellvertretend für die aktuelle Technik herangezogen wurde, sorgte für Ernüchterung. Denn die physiologisch bedingt verzögert aktivierte Unterstützung des Exoskeletts half einem Menschen nicht dabei, das Gleichgewicht im Stand nach einer Störung wiederzuerlangen.

Das Team testete dies mit verschiedenen Probandinnen und Probanden. Sie mussten sich mit angeschnallten Exoskelett-Stiefeln auf eine bewegliche Plattform stellen, die abrupt bewegt wurde, um das Gleichgewicht der Teilnehmenden im Stand zu stören. Das probierten die Wissenschaftler unter drei verschiedenen Bedingungen aus: gänzlich ohne Unterstützung des Exoskeletts, mit verzögerter Unterstützung des Exoskeletts auf die natürliche Körperreaktion sowie eine Unterstützung, die schneller als die physische Reaktion des Körpers einsetzte.

Das Video zeigt, wie die Auswirkungen von Störungen des Gleichgewichts durch Exoskelett-Stiefel ausgeglichen werden.

Gemeinhin werden solche Exoskelette über physiologische Signale des Trägers gesteuert – etwa durch Muskel- oder Gehirnaktivität. So wird die Muskelaktivität um den Knöchel gemessen. Bei Anspannung des Muskels wird das Exoskelett dann aktiviert. Die Steuerung „stiehlt“ sozusagen die menschliche Reaktion und überlagert sie einfach.

Wie das Wissenschaftsteam feststellte, reicht dies bei einer Störung des Gleichgewichts im Stand nicht aus. Das Exoskelett wird zu spät durch körpereigene Reaktionen aktiviert. Die bisherigen Ansätze dieser Steuerungsart von Exoskeletten sind für Halten des Gleichgewichts im Stand nicht geeignet. Nach Angaben der Wissenschaftler dauert es etwa 150 Millisekunden, bis der Körper auf einen Gleichgewichtsverlust reagiert. In dieser Zeitspanne muss das Exoskelett reagieren, um noch gegensteuern zu können.Anzeige

Die Wissenschaftler realisierten dies mit elektronischen Beschleunigungsmessern, wie sie etwa in Smartphones verwendet werden. Mit ihnen bestimmten sie die Störung und konnten so eine schnellere Reaktion der Exoskelett-Stiefel auslösen. Aber auch hier ergaben sich Probleme, denn die künstliche schnelle Unterstützung überlagerte dann die anfängliche Bewegung des Knöchels und störte sie ebenfalls. Bei zusätzlich aktiver Steuerung über den Muskel fiel die Destabilisierung sogar höher aus. Die schnellere Unterstützung allein brachte aber eine Verbesserung: 9 Prozent der größeren Störungen konnten ausgeglichen werden, ohne dass die Probenden einen Ausfallschritt machen mussten.

Das Team ist sich aufgrund der Ergebnisse sicher, dass eine Kombination aus globalem Sensor und Knöchelsensor wegen der Verzögerung zwischen beiden nicht funktioniert. Die Forschenden unterstützen damit Thesen aus den 70er-Jahren, dass globale physiologische Signale besser geeignet sind, um Vorhersagen zum Gleichgewichtsverhalten zu treffen als lokale Signale aus dem Knöchel oder Bein. Trotzdem reicht dies allein nicht aus, wie die Ergebnisse zeigen. Das Team geht davon aus, dass Ansätze des maschinellen Lernens helfen könnten, um Störungen frühzeitig zu erkennen und auf sie zu reagieren.

Quelle: Gleichgewicht halten: Exoskelette müssen schneller reagieren als ein Mensch | heise online

Tom Illauer

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