Gießen. »Wie weit gehen die technischen Möglichkeiten, den menschlichen Körper durch ein technisches Modell zu unterstützen? Und wie weit kann ich persönlich damit kommen?« Inspiriert von Science-Fiction-Filmen wie »Iron Man«, »Edge of Tomorrow« oder »Elysium« stellte sich Lukas Pridal diese Frage bereits in der elften Klasse. Es folgten viele Stunden der Forschung, besonders die theoretischen Vorüberlegungen und das Zusammenführen bereits vorhandener Empirie sei sehr aufwändig gewesen, erzählt der 17-Jährige im Gespräch mit dem Anzeiger.
In seiner Freizeit hat sich Lukas Pridal schon immer gerne mit Technik und Naturwissenschaften beschäftigt, als Leistungskurse wählte er Sport und Physik. »Zu ›Jugend forscht‹ bin ich gekommen, weil es das an der Ostschule als Nachmittagsangebot gibt.« In der elften Klasse habe er sich dann für die AG angemeldet. Dort können sich die Jugendlichen einmal in der Woche treffen und mit Unterstützung durch Lehrkräfte an eigenen Projekten tüfteln. Die Anmeldung für den Wettbewerb sei keine Pflicht, deshalb habe er sich auch erst in der zwölften Klasse dafür beworben. »Ich habe in den Winterferien gemerkt: Ich bin noch gar nicht so weit!«, erinnert er sich.
Roboterarm mit blauen Schläuchen
Zu Beginn der zwölften Klasse habe er quasi noch einmal von vorne begonnen, mit Erfolg: Anfang März belegte er auf Regionalebene den ersten Platz. Neben dem Gewinn eines Preisgelds qualifizierte er sich somit für die nächste Runde, den zweitägigen Landeswettbewerb in Darmstadt. »Mein Projekt ist im Fachbereich Technik«, erklärt der Jugendliche, darüber hinaus gebe es auch noch die Fachbereiche Biologie, Chemie, Mathematik, Physik und Informatik. Sein Ziel sei es gewesen, »die menschliche Muskelkraft durch ein künstliches Exoskelett, also einen außen am Körper anliegenden Apparat, zu unterstützen und zu verstärken«, schreibt er in seiner schriftlichen Arbeit, die für die Teilnahme erforderlich war.
Was aussieht wie ein Roboterarm mit blauen Schläuchen und viel Aluminium, dient der Unterstützung des Ellbogengelenks. Durch die Betätigung eines Ventils mit der Hand schnellt der Arm nach oben, ohne dass der Körper selbst viel Kraft aufwenden muss. »Ich muss gestehen, ich habe ein kleines bisschen mein Ziel verfehlt«, räumt der Schüler bescheiden ein. Die durch das Exoskelett initiierte Bewegung sei etwas zu schnell und der Arm könne auch »nur« etwa ein Kilo Gewicht heben. Wie er das Problem lösen kann, weiß Lukas Pridal aber auch schon: »Um das zu ändern, müsste ich die Geometrie des Modells verändern.«
Die Teilnahme am Wettbewerb sei für ihn keinesfalls die Endstation, er wolle auch danach noch an seinem Projekt weiterarbeiten. Angestrebt hat er einen Ausbau für das Schultergelenk und die Muskeln des Oberkörpers, wodurch die Arme vollständig unterstützt werden könnten. »Im Zuge dessen werde ich gezwungen sein, irgendeine Form von Elektronik zu integrieren«, weiß Pridal.
Sein aktuelles Modell funktioniere ausschließlich über Pneumatik, also Luftdruck. Elektrisch gesteuerte Pneumatik-Ventile gibt es, »aber die kosten halt«, meint der 17-Jährige. »Um weiter fortzuschreiten in meiner Forschung wird einiges an finanziellen Mitteln nötig sein.« Bislang konnte er sich die Teile, die er für sein Modell brauchte, mit seinem Taschengeld und einem Zuschuss durch seine Eltern und Großeltern finanzieren. Über 250 Euro investierte er in sein Projekt, für den ersten Platz beim Wettbewerb erhielt er 75 Euro Preisgeld. »Also hat es sich richtig gelohnt, die Investition«, sagt der Ostschüler lachend. »Aber basteln macht mir halt Spaß!«
Schlafen in der Werkstatt
Da sein Zimmer gerade umgebaut wird, schlafe er quasi in der Werkstatt. »Das kommt meiner Arbeit sehr zugute«, scherzt er. Mit einem Akkuschrauber, einer Feile und einer Säge habe er das aktuelle Modell geschaffen. Mittlerweile habe er sich außerdem einen akkubetriebenen Kompressor gekauft, »der wiegt deutlich weniger« und sei portabel. Sein Endziel ist es, sein Modell irgendwann so weit auszubauen, dass mithilfe von Elektroden über das Gehirn Signale gemessen werden und der Muskel somit bewegt werden kann, ohne dass eine Betätigung von außen notwendig ist. Aktuell sei das Modell nur ein Konzeptbeweis. Sobald es vollständig funktionsfähig ist, gebe es aber zahlreiche Anwendungsfelder, so beispielsweise im medizinischen Bereich, zur Unterstützung von teilweise oder vollständig gelähmten Menschen, um »ein bisschen Bewegungsmöglichkeiten zurückzubekommen«. Auch im Militär oder in Bereichen, in denen schwere Lasten von Menschen getragen werden müssen, werde an ähnlichen Modellen geforscht.
Auf den nächsten Wettbewerb freue er sich schon, obwohl natürlich auch immer ein wenig Aufregung dabei sei. Insgesamt 30 Minuten hatte er beim Regionalwettbewerb Zeit, um sein Projekt vorzustellen und Fragen der Jury zu beantworten. »Ich war schon aufgeregt, weil ich meine Präsentation nicht so gut vorbereitet hatte«, erinnert er sich. Mittlerweile habe er mehr Übung, die Situation kennt er nun besser: »Ich habe mein großes Plakat hinter mir kleben und ich habe meinen Prototyp dabei!«
Auch auf die Projekte seiner Mitstreiter ist er gespannt, schließlich seien die beim Regionalwettbewerb »definitiv auch interessant« gewesen. Schafft er es, sich in Darmstadt gegen alle hessischen Gewinner durchzusetzen, würde der bundesweite Wettbewerb folgen. »Aber so weit muss es erstmal kommen«, meint er. Egal, wie er abschneiden wird, zweifellos ist das Exoskelett nicht Lukas Pridals letztes Projekt: »Ich habe noch viel vor mir«, stellt der 17-Jährige fest. Aktuell informiere er sich über Ausbildungsplätze als Konstruktionsmechaniker oder Industriemechatroniker. Seine Liebe für Metallverarbeitung und die Verarbeitung von speziell konstruierten Bauteilen könnte er somit auch mit dem beruflichen Leben verbinden. Fest steht: Lukas Pridals innovativer Kreativität und seinem Forschergeist sind sicherlich keine Grenzen gesetzt.
Source: Gießener Schüler will Muskelkraft verstärken (giessener-anzeiger.de)