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Prävention am Arbeitsplatz: Exoskelette zum Schutz vor Belastungsschäden

Kisten über den Kopf heben, bettlägerige Menschen neu lagern oder in der Fertigung schwere Bauteile zusammenfügen – viele Tätigkeiten im Berufsleben verlangen eine eintönige Körperhaltung oder ständiges Heben. Damit dies auf Dauer nicht zu Verspannungen sowie Muskel- und Gelenkschäden führt, können Exoskelette zum Einsatz kommen.

Exoskelette entlasten den Körper und helfen, bestimmte Bewegungen auszuführen, ohne die Anwendenden zu behindern. Bisher kommen sie vorrangig in der Industrie und im Handwerk zum Einsatz, dies jedoch noch längst nicht flächendeckend. Die Firma Ottobock hat sich mit der Sparte Ottobock Bionic Exoskeletons auf die Herstellung von Exoskeletten für Arbeitstätigkeiten spezialisiert. Dr. Sönke Rössing, CEO Ottobock Bionic Exoskeletons: „Unser Ziel ist es, Menschen mit körperlich anstrengenden Tätigkeiten zu entlasten und gesündere Arbeitsplätze zu schaffen. Unsere Exoskelette können Rückenschmerzen, Beschwerden in Schultern, Nacken, Handgelenken oder Fingern verringern. Solche Muskel-Skelett-Erkrankungen sind die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Fehltage.“

Die Möglichkeiten, Exoskelette einzusetzen, sind vielfältig und nicht auf bestimmte Berufsbranchen beschränkt, sie finden nach und nach immer mehr Einsatzgebiete. Dies liegt auch mit daran, dass nicht nur die Arbeitnehmende von der Anwendung profitieren, sondern auch die Unternehmen. Rössing beschreibt, welchen Personen Exoskelette helfen könnten: „Allen Menschen, die in ihrem täglichen Arbeitsleben schwer heben und tragen müssen oder viel Überkopfarbeiten. Die Einsatzgebiete von Exoskeletten sind sehr vielfältig, zum Beispiel beim Ausladen von Containern, bei Maler- und Elektrikerarbeiten an der Decke oder bei langen Operationen, um Chirurg*innen zu entlasten. Solche körperlich anstrengenden Tätigkeiten lassen sich mit Exoskeletten komfortabler ausführen. Auch mit positiver Wirkung für die Freizeit: Da Muskeln und Gelenke weniger belastet sind, fühlen sich die Nutzenden häufig abends nicht mehr so erschöpft.“

Solange Patient*innen noch mobil sind und mithelfen können, ist es für das Pflegepersonal leichter. Schwierig wird die Hilfe bei bettlägerigen Patient*innen oder Personen, die in ihrer Mobilität stark eingeschränkt sind, da hier oft gehoben und getragen werden muss.

Exoskelette helfen im Operationssaal

Anwender*innen müssen dabei keine Angst haben, dass das Exoskelett während des Tragens unbequem wird. Denn industrielle Exoskelette für den Bereich der Prävention sind wesentlich kleiner als Exoskelette, die in der Rehabilitation eingesetzt werden. Das Ottobock Paexo Shoulder besteht aus verbundenen Einzelteilen, die wie ein Rucksack aufgesetzt und festgeschnallt werden und wiegt gerade einmal 1,9 Kilogramm. Das Modell gibt es in den Größen S bis XXXL und kann für jeden passend eingestellt werden.

Die ersten Modelle haben es bereits in den OP geschafft, um dort Chirurg*innen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Denn auch bei langen Operationen, zum Beispiel in der Neurochirurgie, müssen Ärzt*innen bei jedem Schritt zielsicher feinste Strukturen behandeln können. Ein Nachlassen der Handkraft oder Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich könnten ernste Konsequenzen für die Patient*innen haben.

Darüber hinaus gäbe es weitere Einsatzfelder im Bereich der Gesundheitseinrichtungen, die leider noch viel zu wenig Beachtung finden, zum Beispiel die Kranken- und Altenpflege. Dabei könnten Exoskelette auch hier hilfreich sein, um die Belegschaft zu entlasten und Krankentage zu reduzieren. Ebenso wären sie in der häuslichen Pflege nützlich, da Angehörige ebenso durch die Pflege körperlich in Anspruch genommen werden.

Schwerpunktbereich Exoskelette auf der REHACARE in Halle 6

Um die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Exoskeletten auch im Bereich Prävention weiter bekannt zu machen, wird es während der REHACARE 2022 in Halle 6 eine größere Fläche geben, die neben Vorträgen auch die Möglichkeit bietet, Exoskelette in der Anwendung zu erleben. Initiator ist Dr. Urs Schneider vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA unter Beteiligung der Messe REHACARE, der Universität Stuttgart IFF, der Wearable Robotics Association WEARRA sowie der Inklusionsämter LVR (Landschaftsverband Rheinland) und LWL (Landschaftsverband Westfalen-Lippe). Neben dem Thema Prävention wird es auch um Rehabilitation gehen.

Urs Schneider: „Derzeit werden Rumpf- und Schulter-Exoskelette in der Pflege zur Rückenentlastung und auch bereits im OP-Saal zur Entlastung bei statischer Vorneigung eingesetzt. Sie entlasten empfindliche Körperpartien, von denen bekannt ist, dass sie bei Tätigkeiten schmerzen und verschleißen können. Bei passiven Exoskeletten wird federnd unterstützt und Kräfte werden umgeleitet auf stärker beanspruchbare Körperregionen, zum Beispiel von der Lendenwirbelsäule weg auf die Oberschenkel. Aktive Exoskelette leisten sogar einen Energieeintrag mit Motorkraft. Es gibt auch Ganzkörpersysteme, Ellenbogen-, Handgelenk- und Daumenentlastungssysteme.“

Neben der Prävention bei körperlich gesunden Menschen soll es während der Messe auch darum gehen, Menschen mit Behinderung durch Exoskelette eine berufliche Teilhabe zu ermöglichen. Denn auch hier können die Exoskelette präventiv eingesetzt werden, um einen körperlichen Abbau zu vermeiden: „Arbeitsbezogen werden Industrie-Exoskelette zur Schadensprävention eingesetzt, also zur Primärprävention. Folgende Fragen stellen sich nun. Erstens: Können zukünftig Exoskelette auch bei Rückenschmerz zur Sekundärprävention eingesetzt werden? Die sind relativ harmlos, aber es betrifft viele Menschen. Zweitens: Können Exoskelette zukünftig bei körperlicher Behinderung Entlastung schaffen? Bei Rollstuhlnutzenden muss der Blick immer auf die hochbelasteten Schultern gerichtet sein. Können hier Schulter-Exoskelette zukünftig das Leben erleichtern, zum Beispiel in der rollstuhlgerechten Montage?“, so Urs Schneider.

Wann Exoskelette in den verschiedenen Berufssparten eher die Norm als die Ausnahme sein werden, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand sagen. Fest steht: Sie sind für die Anwender*innen oftmals eine große Hilfe, sie tragen zur Zufriedenheit der Angestellten bei und sie rechnen sich oftmals für die Unternehmen aufgrund sinkender Fehltage. In den nächsten Jahren darf man deshalb gespannt auf weitere Entwicklungen in diesem Bereich sein.

Quelle: Prävention am Arbeitsplatz: Exoskelette zum Schutz vor Belastungsschäden (rehacare.de) (17.10.2022)

Tom Illauer

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