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Exoskelette können körperliche Arbeit erleichtern / Das wurde beim Innovationstag des Verbandes WVIB deutlich.

Kiloschwere Pakete heben, stundenlang Werkzeuge halten, womöglich über Kopf – und das jeden Tag, ein ganzes Berufsleben lang. Dass der Rücken irgendwann nicht mehr mitmacht, kann kaum verwundern. Helfen können Exoskelette, sozusagen Roboter zum Anziehen. Warum es bei fortschreitender Digitalisierung überhaupt noch solche Hilfsmittel braucht, wurde am Mittwoch beim Innovationstag des Wirtschaftsverbands industrieller Unternehmen Baden (WVIB) bei Sick in Waldkirch deutlich.

Die Fabrik der Zukunft muss digital sein, so das einstimmige Credo der Referenten. „Als produzierendes Unternehmen in Deutschland kommen Sie nicht darum herum, sich mit Digitalisierung auseinanderzusetzen und zu investieren“, sagte etwa Heiko Schwindt, Vizechef für Sales bei Bosch Connected Industry, vor den rund 80 Teilnehmenden. Nur so könne man wettbewerbsfähig bleiben.

Das heißt zum Beispiel: Die Maschinen in einer Fabrik werden laufend überwacht und die dabei gesammelten Daten ausgewertet. So sollen Probleme schneller erkannt, eine defekte Maschine repariert, Kosten gespart und Ausschuss vermieden werden. Auch die Sicherheit der Daten ist ein Thema, sollen sie lokal im Werk gespeichert werden oder in einer Cloud? „Beides ist unsicher“, so Schwindt. Für einen Mittelständler sei aber eine Cloud die bessere, weil einfachere Lösung.

Nicht nur digital, auch flexibel soll die Fabrik der Zukunft sein. Unternehmen müssen schnell auf die Anforderungen des Marktes reagieren können, sagte etwa Christian Fries vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart. Er nannte ein Beispiel: Immer mehr Menschen wollen ein Elektroauto kaufen. Nun reichen dafür die Kapazitäten bei den Herstellern nicht – die Fabriken können nicht in ein Auto einen Verbrennermotor und in das nächste einen E-Motor einbauen. Die Produktion solle sich daher in Zukunft im laufenden Prozess anpassen können.

Digital, flexibel, individuell, am besten auch noch nachhaltig – die Referenten warfen mit Schlagworten um sich. Gleichzeitig werde in der Fabrik der Zukunft der Mensch weiter wichtig sein, bei aller Digitalisierung. Diese soll unterstützen, etwa durch Exoskelette, am Körper getragene Assistenzsysteme, die die Belastung bei körperlich anstrengender Arbeit reduzieren.

Bevor die Fantasie zum Comic-Helden Iron Man springt, dem sein Ganzkörperanzug übermenschliche Kräfte gibt: „So weit sind wir noch nicht“, sagte Oliver Eberhardt mit einem Schmunzeln. Eberhardt ist bei Schmalz, einem Hersteller für Vakuumtechnik in Glatten im Nordschwarzwald, zuständig für die Vorentwicklung und stellte den Stand der Technik vor, gemeinsam mit Christina Harbauer-Rieß vom Lehrstuhl für Ergonomie der Technischen Universität München.

Das Ziel sei eben nicht, die physischen Möglichkeiten des Körpers zu erweitern, so Harbauer-Rieß: „Ziel ist es, den Menschen gesund zu halten und seine Ausdauer zu erhöhen.“ Denn in Deutschland gebe es bis zu 20 Prozent Fehlzeiten aufgrund von Rücken- oder Schulterschmerzen. Körperlich anstrengende Arbeit, zum Beispiel wenn über Kopf Teile an einem Auto montiert werden, habe erhebliche gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen und damit auch monetäre Auswirkungen auf den Arbeitgeber.

Ein Exoskelett könne verhindern, dass der Mitarbeitende „am Ende des Tages einfach fertig ist“ und wegen seiner Schmerzen immer wieder ausfällt. Es gibt aktive und passive Systeme, Letztere gleichen das Gewicht etwa von Arm und Werkzeug mit Federzügen aus. Es muss nicht gleich das Ganzkörpersystem sein: „Wir beobachten einen Fokus auf Schultern und Rücken“, so Harbauer-Rieß. Anwendungen gebe es in der Industrie, aber auch beim Militär und in der Medizin, etwa beim Laufen lernen in der Rehabilitation.

Natürlich gibt es bereits Systeme, die den Menschen unterstützen, diese seien aber meist ortsfest, so Eberhardt. In einer flexiblen Fabrik helfen vor allem flexible Hilfsmittel. Gleichzeitig ist ein Exoskelett als individuelle Schutzmaßnahme laut Arbeitsschutzgesetz „nachrangig zu anderen Maßnahmen“. Und es ist auch eine Kostenfrage, je nach Hersteller und Ansatz liegen sie laut Harbauer-Rieß zwischen 900 und 40 000 Euro.

Außerdem dürfe das Exoskelett nicht bei Nebentätigkeiten stören und müsse bequem sein. Auch die Akzeptanz der Mitarbeitenden sei wichtig: Sie sollten nicht den Eindruck bekommen, „der Chef denkt, ich arbeite zu wenig. Man muss klar kommunizieren, dass es um die Gesundheit geht.“

Aus dem Publikum kamen Bedenken zur Integration in den Arbeitsablauf, zwei Zuhörer hatten bereits Erfahrungen gesammelt und kritisierten das komplizierte Anziehen von Exoskeletten. „Ja, es sollte nicht aufwendiger sein als ein Rucksack“, gab Eberhardt zu. Da sei man noch in der Entwicklung. Noch sei die Technologie sehr jung und finde wenig Anwender in der Praxis. Aber es gebe viel Potenzial, gerade junge Menschen machten sich bei körperlicher Arbeit vermehrt Gedanken um ihre Gesundheit, sagte Eberhardt. „So sind diese Arbeitsplätze unattraktiv.“

Quelle: Roboter zum Anziehen – Wirtschaft – Badische Zeitung (badische-zeitung.de)(21.10.2022)

Tom Illauer

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